SRF (Artikel)
Die Frage, wie ein solcher Ausnahmefall konkret aussehen könnte, beantwortet der Strassenrechts-Experte Professor Hans Giger. Er verweist auf den Fall eines Autofahrers, der in der Nacht aus einem ihm unbekannten Dorf hinausfährt, in dem ein 30er-Limit gegolten hat. «Die Aufhebungstafeln sind oft erst weit nach dem Dorf angebracht und die Strasse gerade», erläutert Giger die Umstände. Wenn der Automobilist nach dem letzten Haus auf 80 beschleunigt, gilt er als Raser und könnte von jedem Richter für 4 Jahre hinter Gitter geschickt werden.
Der Absatz 4 des Artikels 90 sei insofern eine «verunglückte Bestimmung», sagt Giger. Denn sowohl in der Verfassung, als auch im Strafgesetz sei festgelegt, dass für eine Verurteilung zwingend ein Verschulden nachzuweisen ist. Dies schliesse der Absatz 4 kategorisch aus, weil er die Bestrafung an Übertretungskriterien knüpfe – also quasi: Man ist schuldig, weil man schuldig ist. Mit dem Grundsatzentscheid des Bundesgerichts kann ein Richter solche Umstände des Verschuldens wieder in die Strafermessung aufnehmen. Wie das auch bei anderen Verbrechern selbstverständliche Rechtspraxis sei, sagt Giger.